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Personenbeurteilung

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Wo beurteilt wird, passieren Fehler. Personalauswahl und Personalentwicklung sind davon besonders betroffen. Emotionen, persönliche Motive und der eigene Erfahrungshintergrund färben unser Urteilsvermögen ein. Besonders wirkt die Sympathie: Augenkontakt, Lächeln und Kopfnicken erhöhen die Chancen von Bewerbern. Personaler sollten sich mit diesem Bereich der Psychologie auseinander setzen um Fehler in der Personalauswahl zu vermeiden. Denn durch teilweise fehlerhafte Einschätzungen bildet der Beurteiler Hypothesen über den Beurteilten, die wiederum die Wahrnehmung dahin lenken, diese Hypothesen zu bestätigen (self-fulfilling prophecy). So wirkt sich Vorinformation über Bewerber auf die anschließende Bewertung aus, nicht allein die Antwort entscheidet, sondern die durch die Erwartung gefärbte Einschätzung. Am Ende finden wir die Eier, die wir selbst versteckt haben. Mit den richtigen Interviewtechniken und einer guten Beobachtungsschulung lassen sich daher validere Ergebnisse erzielen. Vielfach werden solche Techniken aber nicht oder zu wenig genutzt, teilweise auch, weil der Markt der Personalauswahlverfahren schlicht unübersichtlich ist.

Eine besondere Form der Wahrnehmungsfehler sind Stereotype. Stereotype sind Vereinfachungen der sozialen Umwelt, indem Mitgliedern verschiedener Gruppen (Frauen, Arbeiter, Manager usw.) ähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Sie leiten die Wahrnehmung, die Bewertung von Gruppen und das Handeln. In Personalauswahlverfahren ist dies besonders heikel, schließlich soll der oder die Beste das Rennen machen. So werden leistungsstarke weibliche Azubis eher als fleißig, leistungsstarke männliche Azubis als begabt eingestuft. Für eine ausgewogene Zusammensetzung und korrekte Identifikation der Potenzialträger ist ein solcher Fehler fatal.

Aber auch der beobachtete Mensch verhält sich in der Beobachtungssituation anders. So sind etwa die für Empathie maßgeblichen Hirnstrukturen in Drucksituationen weniger leistungsfähig. Bewerber, die unter hoher Anspannung stehen, werden sich daher in Assessment Center-Übungen, in denen Einfühlungsvermögen abgeprüft wird, schwerer tun.

Um diesen menschlichen Verzerrungen zu begegnen sind Systeme der Personalauswahl und -beurteilung entwickelt worden, deren Kern in einem Dreischritt besteht: Klassifizieren, Kategorien bilden und Interpretieren. Beim Klassifizieren wird festgelegt, was beurteilt werden soll. Hierfür werden in der Praxis Anforderungsprofile erstellt und anhand dieser Anforderungen benötigte Kompetenzen abgeleitet. Die daraus entstehenden Kategorien werden mit Ankerbeispielen hinterlegt, so dass die Interpretation möglichst objektiviert werden kann. Durch Beobachterschulungen und die Diskussion in Gruppen wird zudem eine Objektivierung erreicht. Diese Regeln wurden für die Personalauswahl in der DIN 33430 zusammengefasst. Solche methodischen Normen helfen Personalauswahlverfahren besser zu machen, daher sollte sie jeder der Personalauswahl betreibt, nicht nur kennen, sondern auch die wichtigsten Schritte anwenden können. Diese Techniken alleine reichen aber nicht.

In letzter Zeit mehren sich Befunde, dass in einer solcherlei objektivierten Beurteilung ein wesentlicher Kern menschlicher Urteilskraft übersehen wird: Die Intuition. Ap Dijksterhuis, Sozialpsychologe an der Universität Nijmegen in den Niederlanden, kann zeigen, dass in komplexen Entscheidungssituationen die Objektivierung zu kurz greift, weil wichtige Informationen übersehen werden. Rationale Systematiken alleine können einer hohen Komplexität eben nicht gerecht werden.

In der Hirnforschung wurde erkannt, dass die linke Hemisphäre für rational geprägte Entscheidung zuständig ist. Sie verarbeitet sequenziell und hat daher eine begrenzte Aufnahmekapazität, ist jedoch entkoppelt von der analogen, ganzheitlichen, komplexen und schnellen Verarbeitung, die wir in komplexen und nicht vollständig determinierbaren – also erfassbaren – Umwelten benötigen. Einer solchen Wahrnehmung liegt die Lebenserfahrung zugrunde, sie lässt uns in Situationen blitzschnell entscheiden, welches Verhalten opertun ist. Nur durch diese Erfahrung können wir etwa in Gesprächen die oft kleinen Signale von Gestik und Mimik lesen, die für das Gelingen von sozialer Interaktion so zentral ist. Diese schnelle und parallele Verarbeitung von Information wiederum leistet die rechte Hemisphäre, sie hat Zugang zu all diesem stillen Wissen der Lebenserfahrung („tacit knowledge“ ist die Ansammlung eigener und beobachteter Erfahrungen). Haben wir für eine Situation jedoch keine relevante Erfahrung gesammelt, so wird uns die Intuition in die Irre leiten, denn ungeachtet der Güte der Erfahrung arbeitet diese immer. Liegt dagegen viel Erfahrung und damit relevantes „tacit knowledge“ vor, so bietet die Intuition eine wichtige zusätzliche Informationsquelle.

Blockiert die Standardisierung, die einseitig linkshemisphärisches Denken anregt, also die Fähigkeiten mit Komplexität umzugehen? Wird der Experte seiner Vorhersagekraft beraubt, wenn wir zu stark strukturieren? Müssen wir Nasenentscheidungen und Sympathieboni vielleicht einfach in Kauf nehmen?

Auch wenn jeder Personaler wohl schon die Erfahrung gemacht hat, dass er in einer Personalentscheidung besser auf seinen Bauch gehört hätte: Dieser Schluss würde bedeuten das Kind mit dem Bade auszuschütten. In einer Untersuchung mit Ärzten von Green und Mehr in Michigan zeigt sich, dass das diagnostische Urteil nach der Einführung einer Systematik tatsächlich besser wurde. Es zeigte sich aber auch, dass das Urteil selbst immer noch intuitiv zustande kam, die Systematik also gar nicht verwendet wurde. Das intuitive Urteil wurde aber um wesentliche Kriterien aus der Systematik ergänzt. Eine Klassifizierung und Kategorisierung bleibt also ein wesentlicher Bestandteil jeder Personalentscheidung. Salopp formuliert: Die Intuition muss mit den richtigen Informationen gefüttert werden.

Dazu benötigt es die richtigen Fragetechniken, eine gute Struktur in Form eines Anforderungsprofils und die richtigen Verfahren für die infrage stehenden Informationen. Wenn all diese Informationen gesammelt sind, sollte jedoch nochmals der Bauch zu Rate gezogen werden. Schlägt der Bauch Alarm, so liegen zumeist Informationen vor, die jenseits der Systematik liegen, die jedoch hochgradig wichtig sein können. So wurde schon mancher wegen seiner Kompetenz eingestellt und wegen seiner Persönlichkeit wieder entlassen. Gerade solche Fehlurteile können jedoch vermieden werden.

Um gleichzeitig nicht in die Falle von Stereotypen zu gehen, benötigt es einer guten Schulung. Denn Stereotypen kann man nur entgegen treten, wenn die persönlichen Verzerrungen bekannt sind.

Nutzen Sie das psychologische Wissen, die Erfahrung und die umfangreiche Kenntnis erfahrener Rekrutierer um hilfreiche Instrumente zu nutzen, die es ermöglichen Motivation, Persönlichkeit und Kompetenz richtig einzuschätzen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch in unserem Training Psychologie der Personalauswahl.

Autor: Dr. Axel Schweickhardt

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