Teil 2: Die agile Haltung
Wir hatten im ersten Teil gesehen, dass wir Komplexität reduzieren können, indem wir Prozesse definieren und damit eine Einheitlichkeit im Vorgehen herstellen. Das ist durchaus ein zielführender Weg, wenn die Aufgaben und Prozesse wiederkehrend sind und es nicht regelmäßig zu Ausnahmen oder schnellen Anpassungen kommen muss. Sind meine Produkte Unikate, wie wir es in der individualisierten Produktion haben, oder können wir erst nach einer Begutachtung einer Situation entscheiden, wie wir handeln, wie es etwa bei Katastrophen der Fall sein kann, dann wird eine umfassende Standardisierung unmöglich.
Natürlich finden sich auch in solchen Prozessen Regelhaftigkeiten und diese werden standardisiert. Gerade dann ist es wichtig, dass die grundlegenden Dinge schnell und sicher ablaufen. Aber es bleibt eben ein Teil, in dem Menschen in der Verantwortung stehen. Und hier stoßen wir an Grenzen klassischer hierarchisch organisierter Strukturen. Hierarchische Strukturen sind langsam und nicht flexibel, also nur dort geeignet, wo Regelhaftes verwaltet wird. Flexibilität braucht die Entscheidungskompetenz vor Ort, also auf der Ebene des*der Mitarbeiter*in, der*die das Thema bearbeitet.
Damit ist Eigenverantwortung der zentrale Leitgedanke agilen Führens. Das hat viele Implikationen, von denen wir hier einige aufführen wollen.
Motivation
Eigenverantwortliche Mitarbeiter*innen brauchen eine Motivation, die sich aus dem Sinn der Tätigkeit ergibt. Die Mitarbeiter*innen müssen also hinter dem Ergebnis stehen und sich dafür einsetzen, das Ziel zu erreichen oder ein Ergebnis abzuliefern. Wer Sinn erlebt, der*die wird den Zweck einer Aufgabe erfüllen wollen. Besonders dann wenn es Schwierigkeiten gibt, wird das relevant. Und das fängt bereits im ganz Kleinen an. Stellen Sie sich vor, ein*e Mitarbeiter*in möchte eine Präsentation ausdrucken, der Drucker ist allerdings kaputt. Nicht wenige Mitarbeiter*innen geben dann auf, bis das Problem behoben ist, nicht selten auch zu dem Preis, dass dann etwas fehlt. Ein*e Mitarbeiter*in, der*die erkannt hat, was der Zweck ist, wird vielleicht die Präsentation im Vorfeld an alle verschicken, damit alle Teilnehmenden der Präsentation diese dann auch vorliegen haben.
Delegation
Eigenverantwortliches Mitdenken erfordert eine gute Kenntnis der Rahmenbedingungen. Also gehört es zum agilen Führen, Hintergrundinformationen und Zweck der Aufgabe bei der Delegation mitzuliefern. Da Eigenverantwortung Hand in Hand mit übertragener Verantwortung geht, muss ich ebenfalls die Ergebnisverantwortung delegieren.
Ziele
Eigenverantwortliche Mitarbeiter*innen benötigen keine vorgegebenen Ziele. Diese sind gut, um einem*einer wenig motivierten Mitarbeiter*in einen Leistungsanreiz zu setzen und letztlich auch die Leistung am Zielerreichungsgrad zu kontrollieren. Motivierte Mitarbeiter*innen, die eigenverantwortlich handeln, setzen sich zumeist auch Ziele. Sie setzen sich diese jedoch selbst. Damit die Ziele mit den Zielen des Teams abgestimmt sind, lohnt es sich natürlich darüber zu sprechen und ggf. auch anzupassen. Allerdings passe ich nur die Ausrichtung an und nur selten das Zielniveau, denn hier setzen sich solche Mitarbeiter*innen schon Ziele, die ausreichend sportlich sind. Wenn ich diese nach oben korrigiere, provoziere ich meist geringere Leistung. Nicht selten geht es sogar in die gegenteilige Richtung, dass ich solche Mitarbeiter*innen vor sich selbst schützen muss und das angestrebte Zielniveau reduziere.
Eigenverantwortliche Mitarbeiter*innen brauchen damit eine ganz andere Führung, als Menschen, die Aufgaben abarbeiten. Die Grundhaltung ist positiv und Vertrauen schenkend. Die Mitarbeiter*innen werden für die Ergebnisse in die Pflicht genommen, indem mehr Verantwortung übertragen wird. Damit geht auch die Übertragung von verantwortungsvolleren Aufgaben und mehr Entscheidungsbefugnissen einher. Das alles geschieht in einem kontinuierlichen und partnerschaftlichen Dialog, damit Sie informiert bleiben und die Mitarbeiter*innen notwendige Unterstützung einfordern können.
Wie Sie Ihre Mitarbeiter*innen empowern können, damit sie eine solche Motivation leben, erfahren Sie in unserem Seminar Empowerment I – agile Führung.
Autor: Dr. Axel Schweickhardt
Weitere Artikel dieser Reihe
Teil 1: Komplexität und Agilität
Teil 4: Anforderungen an die Führungskraft
Teil 5: Kulturaspekte agiler Teams
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